Essen. Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus: 2023 waren es fast 200.000 – allein in NRW. Hier lesen Sie, wie ein Kirchenaustritt abläuft.

Noch nie sind in NRW so viele Menschen aus der Kirche ausgetreten wie in den vergangenen beiden Jahren. Vor allem in Köln und Umgebung sind die Zahlen extrem hoch. Hier lesen Sie, wo, wann und warum besonders viele Menschen in NRW ausgetreten sind. Wir zeigen außerdem, wie Sie selbst möglichst unkompliziert austreten können. Schritt für Schritt erklären wir, was Sie tun müssen und was nicht.

Abkehr von der Kirche: Zahl der Ausgetretenen in NRW zieht deutlich an

Vom Mitgliederschwund sind sowohl die Protestanten als auch die Katholiken betroffen. Zusammengerechnet haben über 1.580.000 Menschen die Kirche seit 2008 verlassen – allein in Nordrhein-Westfalen. Laut EKD und DBK (Evangelische Kirche in Deutschland und Deutsche Bischofskonferenz) lebten damals rund 5 Millionen Protestanten und 7,5 Millionen Katholiken in NRW. Ende 2022 waren es noch 3,9 Millionen beziehungsweise 6,1 Millionen. Ihr Anteil in der Bevölkerung sank damit von 70 auf 55 Prozent.

Dabei sind die verstorbenen Kirchenmitglieder noch nicht eingerechnet. Seit über zehn Jahren pendeln die katholischen Beerdigungen zwischen 240.000 und 250.000 pro Jahr. Während die Kirche also durch Austritte und weniger Nachwuchs schrumpft, bleibt die Zahl der Sterbefälle stabil. Verhältnismäßig nimmt die Zahl der katholischen Sterbefälle in den Gemeinden so zu. Dass die katholischen Bestattungen trotz alternder Gesellschaft nicht mehr werden, ist ein weiteres Indiz für den Mitgliederschwund.

Warum verlassen Menschen die Kirche? Das sagen ehemalige Kirchenmitglieder

Das Sozialwissenschaftliche Institut der EKD (SI) hat in einer bundesweiten Repräsentativbefragung Gründe für Austritte aus der evangelischen und katholischen Kirche seit 2018 untersucht. Je älter die Befragten waren, desto mehr nannten sie einen oder mehrere konkrete Anlässe für ihren Austritt. Jüngere, ehemalige Kirchenmitglieder hatten sich meist schon länger entschieden.

Insgesamt zeigt sich, dass die meisten keine konkreten Gründe für einen Austritt haben. Dem Großteil fehlt der persönliche Bezug zum Glauben und der Kirche, was sich oft schon in der Kindheit durch das Elternhaus entwickelt.

Konkrete Gründe für den Austritt aus der katholischen Kirche

79 Prozent der ehemaligen Katholiken, die einen bestimmten Anlass für den Austritt sahen, nannten die Kindesmissbrauchsskandale. Für 63 Prozent war die Ablehnung Homosexueller in der Kirche inakzeptabel. 61 Prozent gaben die Verschwendung finanzieller Mittel an, 45 Prozent hatten sich über kirchliche Stellungnahmen geärgert.

Ein Sechstel war mit dem Umgang der Kirche mit gleichgeschlechtlichen Trauungen unzufrieden, 14 Prozent wollten keine Kirchensteuer mehr zahlen oder ihre Lebenssituation hatte sich verändert. Sonstige Gründe mit weniger als zehn Prozent Zustimmung waren Differenzen in der Kirchengemeinde, Flüchtlingshilfe oder veränderte kirchliche Angebote.

Auch im Ruhrbistum, in dem die Basilika St. Ludgerus in Essen-Werden steht, kämpfen die Kirchen mit Mitgliederschwund.
Auch im Ruhrbistum, in dem die Basilika St. Ludgerus in Essen-Werden steht, kämpfen die Kirchen mit Mitgliederschwund. © FUNKE Foto Services | Michael Gohl

Konkrete Gründe für den Austritt aus der evangelischen Kirche

Gegen die evangelische Kirche entschieden sich die meisten mit konkreten Gründen ebenfalls wegen Fällen von Kindesmissbrauch (41 Prozent) oder Geldverschwendung (39 Prozent). Am dritthäufigsten nannten Befragte als Grund ihre Wut über öffentliche, kirchliche Aussagen mit 31 Prozent. Etwas mehr als 20 Prozent erklärten den Austritt mit einem Umbruch im eigenen Leben.

Ein Fünftel kritisierte die Ablehnung Homosexueller, 19 Prozent nannten die Unterstützung Geflüchteter als Grund. Jeder Sechste wollte sich die Kirchensteuer sparen und rund 14 Prozent hatten Probleme mit dem Pfarrer oder der Pfarrerin. Sonstige Differenzen in der Kirchengemeinde, die Zulassung gleichgeschlechtlicher Trauungen oder andere kirchliche Angebote waren für weniger als ein Zehntel ausschlaggebend.

NRW: Wie trete ich aus der Kirche aus?

Wie der Kirchenaustritt in NRW abläuft, haben wir Schritt für Schritt aufgelistet.

  1. Finden Sie heraus, welches Amtsgericht für Sie zuständig ist. Dafür können Sie auf der Website des NRW-Justizminsteriums Ihren Wohnort oder Ihre Postleitzahl eingeben und erhalten alle Kontaktdaten des entsprechenden Amtsgerichts.
  2. Vereinbaren Sie dort einen Termin. Am einfachsten geht das über die Online-Terminbuchung: Dort können Sie unter Dienststelle Ihr Amtsgericht auswählen und als Dienstleistung die Option „Kirchenaustritt“ angeben.
  3. Für den Termin sollten Sie Folgendes bereithalten: den Personalausweis und die Austrittsgebühr von 30 Euro. Hinweis zur Gebühr: Sie können die 30 Euro entweder bar an der Zahlstelle im Amtsgericht bezahlen oder eine elektronische Kostenmarke nutzen. Diese können Sie im Justizportal des Bundes und der Länder kaufen und der Behörde den Code als Quittung vorlegen.
  4. Bei dem Termin erklären Sie Ihren Austritt aus der Kirche mündlich: Ein Urkundsbeamter hält das dann schriftlich fest. Sie müssen Ihre Entscheidung nicht begründen.
  5. Sie erhalten dann eine Bescheinigung über den Austritt und mit Ihrer Erklärung endet Ihre Kirchenmitgliedschaft.
  6. Das Amtsgericht benachrichtigt die Stadt- oder Gemeindeverwaltung, die daraufhin die Finanzverwaltung informiert. Diese ändert anschließend Ihre persönlichen Lohnsteuerabzugsmerkmale. Zum Monatsende läuft Ihre Kirchensteuerpflicht aus.
Sobald Sie beim Amtsgericht Ihren Austritt erklärt haben, sollte Ihre Pflicht zur Kirchensteuer im nächsten Monat aufgehoben sein. (Symbolbild)
Sobald Sie beim Amtsgericht Ihren Austritt erklärt haben, sollte Ihre Pflicht zur Kirchensteuer im nächsten Monat aufgehoben sein. (Symbolbild) © epd | Jens Schulze

Online ist ein Kirchenaustritt nicht möglich. Weil der Schritt so bedeutsam ist, lässt die Gesetzeslage in NRW keinen Online-Antrag zu. Deshalb warnen Gerichte vor Betrug im Internet.

Kirchenaustritt in NRW: Wie schnell bekomme ich einen Termin bei meinem Amtsgericht?

Wie lange Sie auf den nächsten freien Termin warten müssen, hängt vom jeweiligen Amtsgericht ab. An manchen Standorten können Sie innerhalb einer Woche Ihren Austritt erklären, an anderen dauert es mitunter sechs Wochen. Am schnellsten sehen Sie den nächsten verfügbaren Termin, wenn Sie auf der Website der Online-Terminbuchung ihr Amtsgericht und das Anliegen Kirchenaustritt auswählen. Ohne weitere Angaben sehen Sie dann ganz einfach den nächsten Termin.

Sollte Ihr Wohnsitz nicht in NRW sein, könnte der Kirchenaustritt bei Ihnen anders ablaufen. Denn die Kirchenaustrittsgesetze sind auf Länderebene geregelt. Jeder, der mindestens 14 Jahre alt und geschäftsfähig ist, kann aus der Kirche austreten. Das gilt bei Minderjährigen auch, wenn der gesetzliche Vertreter dagegen ist.

Diese Konsequenzen zieht ein Kirchenaustritt nach sich

Die katholische Kirche entzieht Augetretenen folgende Rechte:

  • Empfang der Sakramente (Taufe, Abendmahl, Firmung, Beichte, Ehe, Priesterweihe und Krankensalbung)
  • Bekleiden kirchlicher Ämter
  • Tauf- oder Firmpatenschaft
  • Mitgliedschaft und Wahl pfarrlicher oder diözesaner Räten
  • Mitgliedschaft öffentlich-kirchlicher Vereine

Erst seit 2012 bezeichnet die katholische Kirche den Austritt nicht mehr als Exkommunikation oder häretische Positionierung. Christsein ohne Kirchenmitgliedschaft gibt es in ihren Augen nicht. „Katholisch sein ist keine Frage der freien Gefolgschaft“, beschreibt es der Kirchenrechtler Georg Bier gegenüber katholisch.de. „Das kann man nicht nur für sich sein. Es ist auch eine Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, mit Rechten und Pflichten, die daraus entstehen.“

Konsequenzen des Kirchenaustritts: Sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche verweigern Ausgetretenen die Sakramente. Für beide Konfessionen zählt dazu die Taufe. (Symbolbild)
Konsequenzen des Kirchenaustritts: Sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche verweigern Ausgetretenen die Sakramente. Für beide Konfessionen zählt dazu die Taufe. (Symbolbild) © epd | Tim Wegner

Die evangelische Kirche kann ehemaligen Mitgliedern diese Rechte versagen:

  • Empfang der Sakramente (Taufe, Abendmahl)
  • Patenschaft
  • Kirchliche Trauung
  • Kirchliche Beerdigung
  • Arbeit bei kirchlichen Trägern

Zudem gilt, dass mindestens ein Elternteil Mitglied der evangelischen Kirche sein muss, um das eigene Kind taufen zu lassen.

So ist die Lage in den einzelnen Landgerichtsbezirken in NRW

Kirchenaustritte in NRW: So ist die Lage in den NRW-Städten:

Evangelische und katholische Kirche: Wie funktioniert der (Wieder-)Eintritt?

Wer in die evangelische Kirche (wieder-)eintreten will, sollte sich an die örtliche Gemeinde wenden. Bei Vorgesprächen mit dem Pfarrer oder der Pfarrerin ergeben sich die nächsten Schritte. Neben dem Personalausweis benötigen Sie für den Eintritt gegebenenfalls die Kirchenaustrittsbescheinigung und die Taufurkunde. Der Eintritt in die evangelische Kirche ist kostenlos.

Ähnlich läuft es in der katholischen Kirche ab: Dort kontaktieren Interessenten den zuständigen Pfarrer, um weitere Schritte zu planen. Der Eintritt in die katholische Kirche kostet ebenfalls nichts.